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Seit ihrer Gründung vor 34 Jahren setzt die Fi Europe die Trends der Branche. In diesen Jahr findet die Messe rein virtuell statt.
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Welche neuen Trendgetränke werden in den kommenden Jahren die Gläser füllen? Ob flüssiger Snack, Energie-Booster oder Gesundbrunnen – „der Fantasie der Hersteller sind keine Grenzen gesetzt“, meint Julien Bonvallet.
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Sportgetränke sind für Julien Bonvallet ein Wachstumsmarkt. „Doch die One-size-fits-all-Lösungen werden zunehmend abgelöst von Konzepten, die auf die Trainingsgewohnheiten zugeschnittenen sind“, so der Brand Director bei Informa Markets.

BESTENS VERNETZT UND INFORMIERT

Aufgrund der steigenden Infektionszahlen wurden in den letzten Wochen für immer mehr europäische Länder und Regionen Reisebeschränkungen verfügt. Deshalb mussten sich auch die Organisatoren die Fi Europe und Hi Europe trotz ihres umfangreichen Hygine- und Sicherheitskonzepts letztendlich für eine Absage entscheiden. Die Weltleitmesse der Ingredients-Branche wird in diesem Jahr virtuell stattfinden und kehrt im kommenden Jahr als Präsenzveranstaltung nach Frankfurt zurück.

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In den vergangenen Wochen hat sich das Fi Europe Team bei Key Playern und Partnern aus der Lebensmittel- und Getränkeindustrie über die Herausforderungen von COVID-19 für die Branche informiert. Um die Gesundheit und Sicherheit aller Teilnehmer der Fi Europe und Hi Europe zu gewährleisten, führte der Messeveranstalter den AllSecure-Standard ein. Dank dieses Maßnahmenpakets war das Team zuversichtlich, die Messe als sicheres Live-Event mit den höchsten Hygienestandards durchführen zu können.

Allerdings sind die Fi Europe und Hi Europe Veranstaltungen mit einer globalen Ausrichtung und Branchentreffpunkt für Teilnehmer aus aller Welt. „Jedes Land entwickelt seinen eigenen Weg in eine mögliche Normalität nach COVID-19, und der internationale Reiseverkehr ist nur allmählich wieder möglich. Deshalb ist es in diesem Jahr nicht machbar, die gewohnten Teilnehmerzahlen und damit ein gutes Maß an qualitativ hochwertigen Kontakten zu gewährleisten, die man von einer solchen Messe erwartet“, so Julien Bonvallet, Brand Director bei Informa Markets, zu den Gründen, die letztlich gegen eine Präsenzveranstaltung sprachen. Das Fi Europe Team hat deshalb gemeinsam mit den wichtigsten Interessengruppen und Partnern die Entscheidung getroffen, die Vor-Ort-Veranstaltung durch neue Formen des Networkings zu ersetzen. 2021 sollen die Fi Europe und Hi Europe dann vom 30. November bis zum 2. Dezember wieder in Frankfurt stattfinden und 2022 nach Paris zurückkehren.

In diesem Jahr gestaltet Informa Markets Europas größte Messe für Lebensmittel- und Getränkeinhaltsstoffe vom 23. November bis zum 4. Dezember als digitales Messeerlebnis. Die Fi Europe CONNECT 2020 ist eine virtuelle Veranstaltung, die den Nutzern neben einem Zugang zur globalen Ingredientsindustrie alle Tools und Kooperationsmöglichkeiten bietet, die ein erfolgreiches Business braucht. Für die virtuelle Veranstaltung erwartet Informa Markets mehr als 8.000 Besucher. Darüber hinaus können sich die Teilnehmer in über 100 On-Demand-Sessions und mehr als 16 Expertenrunden über aktuelle Trends auf dem Laufenden halten. Ein Matchmaking-Service hilft Herstellern bei der Suche nach Käufern für ihre Produkte und Lösungen.

Julien Bonvallet will mit dem neuen Konzeopt ein virtuelles Messeerlebnis schaffen, das auch „in diesen schwierigen Zeiten zu einem Erfolg für alle Teilnehmer werden kann.“ Das Jahr 2020 habe die Welt und die Lebensmittelindustrie verändert: Themen wie Lebensmittelsicherheit und verlässliche Lieferketten sowie die gesundheitlichen Aspekte der Ernährung sind noch wichtiger geworden. „Bei unserem virtuellen Event können sich Experten aller Fachbereiche zu den Schlüsseltrends und Herausforderungen der Branche austauschen, und Zulieferer wie Hersteller können sich mit ihren Geschäftspartnern vernetzen“, so Bonvallet gegenüber food design (lesen Sie dazu das im Anschluss folgende Interview).


Julien Bonvallet zu jüngsten Entwicklungen auf dem Getränkemarkt

„Auf die Kraft der Natur zu vertrauen, ist fest in uns verankert“

Mahlzeitenersatz, Wellnessdrink, funktionelles Lebensmittel, Genussgarant: Getränke haben heute bei vielen Verbrauchern einen ganz anderen Stellenwert als noch vor zwei Jahrzehnten. food design sprach mit Julien Bonvallet über die Trends in diesem Segment. Bonvallet ist Brand Director bei Informa Markets, dem Veranstalter der Weltleitmesse Fi Europe, die in diesem Jahr als virtuelle Fi Europe CONNECT 2020 stattfindet. Interview: Thomas Wiese


food design: Herr Bonvallet,Getränke sind längst nicht mehr nur Durstlöscher. Welche Entwicklungen konnten Sie in den vergangenen Jahren und aktuell beobachten?

Julien Bonvallet: Zum Genussprodukt wurden Getränke schon sehr früh – süße Getränke wie Limonaden und Fruchtsäfte schmecken einfach nach mehr. Doch der hohe Zuckergehalt, selbst bei den als ernährungsphysiologisch wertvoll geltenden Fruchtsäften, verleidete kalorienbewussten Verbrauchern bald den unbeschwerten Genuss ...

food design: ... in der Folge eroberten Light-Getränke die Supermärkte.

Bonvallet:  Ja, und heute sind viele Käufer in hohem Maße gesundheitsbewusst und bestens informiert: Für diese Zielgruppe stehen funktionelle Getränke hoch im Kurs. Ob flüssiger Snack, Energie-Booster oder Gesundbrunnen – der Fantasie der Hersteller sind keine Grenzen gesetzt.

food design: Welche Getränkethemen erwarten Sie dieses Jahr?

Bonvallet: Nehmen Sie Getränke auf Basis von Fruchtsäften als Beispiel: Bei den Produktlaunches der vergangenen vier Jahre lagen laut Mintel die Claims 'Energy', 'Immune System' sowie 'Antioxidant' obenauf. Aber auch Knochengesundheit und Verdauung tauchen in der Statistik auf. Insofern spiegeln Getränke genau die Trends wider, die auch in anderen Bereichen der Lebensmittelbranche angesagt sind. Generell lässt sich eine Tendenz zum Rundum-Sorglos-Getränk feststellen, das heißt zu Produkten, die mehrere Funktionalitäten miteinander verbinden.

food design: Welche Zutaten rücken dabei in den Vordergrund?

Bonvallet: Wir sehen proteinangereicherte Drinks auf dem Markt, die gleichzeitig zucker- und fettreduziert sind und dank einer Superfood-Zutat nicht nur für geschmackliche Überraschung sorgen, sondern eben auch reich an Antioxidantien sind.

food design: Aktuell ist COVID-19 auch in der Ingredientsbranche ein wichtiges Thema – es geht nicht nur um sichere Lieferketten, sondern auch um Funktionalitäten, die der Verbraucher jetzt besonders stark einfordert.

Bonvallet: Angesichts einer Pandemie bewegt gerade das Thema Immunabwehr viele Verbraucher – und das wird auch auf längere Sicht so bleiben. Wir alle wissen: Das Beste für das Immunsystem ist immer noch ein guter Mix aus ausgewogener Ernährung, Bewegung, frischer Luft und einem aktuellen Impfstatus. Doch die wenigsten haben Zeit, mehrmals täglich eine frische Mahlzeit zuzubereiten, die bestenfalls noch alle für das Immunsystem wichtigen Mikro- und Makronährstoffe enthält.

food design: Hier können Getränke eine Lösung sein?

Julien Bonvallet: Auch wenn das erst einmal nach Zaubertrank klingt: Funktionelle Getränke können Abhilfe schaffen – nicht als Wundermittel, sondern als wissenschaftlich fundierte und vor allem leicht zu konsumierende Alternative, die dem Körper die für das Immunsystem wichtigen Nährstoffe zuführt. Ein Beispiel sind Getränkekonzepte, die auf Grünteeextrakt setzen. Grüntee enthält neben Vitamin C auch hohe Konzentrationen an Katechinen, denen antivirale Eigenschaften zugesprochen werden.

food design: … und dann gibt es bei botanischen Inhaltsstoffen ja noch den psychologischen Effekt.

Bonvallet: Natürlich haben Getränke mit pflanzlichen Extrakten bei gesundheitsbewussten Verbrauchern einen psychologischen Effekt. Menschen verwenden Pflanzen seit Jahrhunderten als Heilmittel – ob nun Blätter, Blüten oder Wurzeln. Auf die Kraft der Natur zu vertrauen, ist fest in uns allen verankert. Umso besser, dass wir inzwischen in der Lage sind, die Wirkstoffe der Natur nachzuweisen und sie als funktionelle Zutaten bestmöglich in unsere Lebensmittel zu integrieren.

food design: Sportgetränke sind ebenfalls ein Wachstumsmarkt. Woher kommt dieser Boom?

Bonvallet: Sport zu treiben ist in. Die Mitgliedszahlen in Fitnessstudios sind in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen, auch wenn sie aktuell aufgrund der Situation stagnieren. Immer mehr Hobbysportler betreiben ihr Training hochmotiviert. Gleichzeitig sind Sportgetränke aber auch eine attraktive Lösung, um im Spagat zwischen Beruf, Familie und Freizeitprogramm generell leistungsfähig zu bleiben – Stichworte Performance und Selbstoptimierung.

food design: Welche Funktionalitäten müssen Sportgetränke heute erfüllen, um dieser großen Bandbreite an Profi-Sportler, Amateurläufer oder Berufstätiger bei der erwünschten Performance zu unterstützen?

Bonvallet: One-size-fits-all-Getränke, die auf einen hohen Proteingehalt und schnell verfügbare Kohlenhydrate setzen, werden zunehmend abgelöst von auf die Trainingsgewohnheiten zugeschnittenen Konzepten. Für die Anwendung vor dem Sport sind Formulierungen ideal, die Verletzungen vorbeugen und auf die erhöhte Belastung vorbereiten.

food design: Können Sie das an konkreten Beispielen festmachen?

Bonvallet: Während und nach einer Trainingseinheit sehen Sportmediziner Getränke mit Antioxidantien als sinnvoll an. Gerade für Menschen, die sich von Sportprodukten auch mehr Power im Alltag erhoffen, ist das Thema Energieversorgung wichtig. Viele Sportdrinks enthalten Maltrodextrin oder Saccharose, die kurzfristige Energie bereitstellen. Eine Lösung für langfristige Energie sind Kohlenhydrate mit niedrigem glykämischen Index: Sie lassen den Blutzuckerspiegel langsam und moderat ansteigen und sorgen für eine lang anhaltende Energiezufuhr.

food design: Für welche Zielgruppen können funktionelle Getränke noch interessant sein?

Bonvallet: Definitiv für die Best Ager. Laut Euromonitor International werden in zehn Jahren mehr als 990 Millionen Menschen weltweit über 65 Jahre sein. Sie alle wollen ein aktives Leben führen und suchen gezielt nach Lösungen zur Stärkung von Knochen und Gelenken oder für die Augen- und Herzgesundheit. Hier können entsprechende Getränkekonzepte punkten. Und ein funktionelles Getränk als Alternative zum Nahrungsergänzungsmittel, das schmeckt und sich gut in den Alltag integrieren lässt, ist nicht nur für Senioren, sondern auch für junge Menschen attraktiv.

food design: Welche Inhaltsstoffe halten Sie in diesem Bereich für besonders spannend?

Julien Bonvallet: Botanische Ingredients sind stark auf dem Vormarsch: Getränkehersteller haben beispielsweise den Kurkuma-Hype aufgegriffen: Inhaltsstoffe wie Curcumin sollen vor oxidativem Stress schützen und sind wegen ihrer entzündungshemmenden Eigenschaften beliebt. Spirulina und Ingwer werden zunehmend in Shakes und Smoothies eingesetzt. Spannend ist auch der Bereich 'Schönheit von innen': In Japan, Vorreiter bei funktionellen Produkten, sind kosmetisch wirksame Getränke seit Jahren der Renner. High-Tech-Formulierungen mit Vitaminen, Kollagen und Hyaluronsäure stehen gerade bei weiblichen Verbrauchern hoch im Kurs und sind inzwischen in Europa erhältlich.

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