© SEW-Eurodrive
Die Edelstahl-Antriebe von SEW erreichen die Schutzart IP69K.
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Sarah Herberger ist bei SEW-Eurodrive im Bereich der hygienischen Applikationen für das Systemgeschäft verantwortlich. Sie betont: „Hygienic Design ist ein wichtiges Thema, welches wir bei der Entwicklung des skalierbaren Produktportfolios berücksichtigen.“
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Ein hygienegerecht ausgeführter Servomotor sorgt hier für die Ausschleusung fehlerhafter Produkte.

BESONDERS GLATTE OBERFLÄCHEN

In der Lebensmittelherstellung spielt der Einsatz von hygienegerecht ausgeführten Maschinen eine zunehmend wichtigere Rolle für die Prozess- und Produktsicherheit. Welchen Beitrag der Antriebsspezialist SEW-Eurodrive dazu leisten kann, erläutert Sarah Herberger, Solution-Managerin für hygienische Applikationen, im Interview.

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In den vergangenen Jahren sind die Hygieneanforderungen in der Lebensmittelindustrie deutlich gestiegen. Was bedeutet das für SEW als Anbieter von Antriebstechnik?

Auch wir beobachten diese Entwicklung am Markt und bauen deshalb unser Programm dahingehend kontinuierlich aus. Dabei legen wir viel Wert auf Skalierbarkeit, um für sämtliche Anforderungen eine Lösung bieten zu können. In den letzten Jahren haben wir unser Edelstahl-Portfolio in den Segmenten Asynchron- und Servomotoren sowie durch zusätzliche Getriebevarianten erheblich erweitert.

Welchen Stellenwert hat in Ihrem Haus das Hygienic Design?

Das Thema ist bei uns im Laufe der Zeit immer stärker in den Fokus gerückt. Einen guten Hinweis darauf liefert meine Positionsbezeichnung: Ich durfte 2019 bei SEW als Produktmanagerin starten und war für die Markteinführung des Edelstahl-Servogetriebemotors zuständig. 2024 wurde ich zur Solution-Managerin für hygienische Applikationen ernannt und bin seitdem verantwortlich für das Systemgeschäft. Bereits daran sieht man, wie wichtig Hygienic Design in unserem Unternehmen geworden ist.

Können Sie Beispiele nennen für erfolgreich unter diesem Aspekt umgesetzte Konzepte?

Unsere Edelstahl-Servogetriebemotoren PSH..CM2H.. und Edelstahl-Servomotoren CM2H.. sind hervorragende Beispiele für hygienegerechte Konstruktionen. Das Portfolio umfasst präzise Planetengetriebe und dynamische Servomotoren, die sich flexibel in einem Baukasten kombinieren lassen. Die Antriebe erfüllen die strengen Richtlinien der European Hygienic Engineering & Design Group, kurz EHEDG, sowie die der US-amerikanischen Lebensmittelüberwachungsbehörde FDA und vollständig aus korrosionswiderstandsfähigem Edelstahl. Sie sind aufgrund ihres speziellen Gehäusedesigns auf die Anforderungen der reinigungsintensiven Lebensmittel- und Getränkeindustrie sowie auf permanent feuchte Umgebungen ausgerichtet.

Was heißt das konkret?

Mit Blick darauf, dass sie sich schnell und leicht reinigen lassen, wurden unsere Edelstahl-Servogetriebemotoren so entwickelt, dass sie unter Hochdruck selbst hohen Temperaturen und chemischen Reinigungsmitteln standhalten. Die Antriebe erreichen die Schutzart IP69K. Fünf Baugrößen in jeweils drei unterschiedlichen Längen decken einen breiten Bereich an Anwendungsfällen ab. Zu Beginn sind wir im Getriebe mit vier Übersetzungen gestartet. Im Laufe dieses Jahres kommen neun weitere Übersetzungen mit einer zweistufigen Variante hinzu. Damit bieten wir mehr Flexibilität und weitere Lösungsmöglichkeiten.

Wie gewährleisten Sie die leichte und rückstandsfreie Reinigbarkeit Ihrer Systemkomponenten?

Wir orientieren uns, wie bereits erwähnt, bei der Konstruktion unter anderem an den Richtlinien der EHEDG. Mit einer Rauheit von unter 0,8 Mikrometern und Radien größer als drei Millimeter weisen die Gehäuse der Servoantriebe besonders glatte Oberflächen auf und haben weder Ecken noch Kanten sowie keine Bereiche, in denen sich Schmutznester bilden können. Zudem hilft der Einsatz von Edelstahl, unerwünschte Korrosion oder mögliches Abblättern von Lackierungen durch starke Reinigungsprozesse auszuschließen.

Gibt es über Edelstahl hinaus noch andere Werkstoffe, die Sie bei steter Einhaltung der strengen Kriterien des Hygienic Designs verarbeiten?

Neben dem Edelstahl für die Oberflächen werden Kunststoffe für die Dichtungen verwendet, die von der FDA für Lebensmittelkontakte zugelassen sind. Dies bedeutet, dass ein Material der Umgebung standhalten muss, in der es verwendet wird. Wenn sich etwa eine Dichtung stark erhitzt durch die Reinigung, darf sie bei den erhöhten Temperaturen keine physikalischen Veränderungen erfahren und keine Stoffe an die Umgebung abgeben.

Welches in letzter Zeit von Ihnen realisierte Projekt in der Lebensmittelindustrie ragt hinsichtlich der hygienischen Prozessgestaltung heraus?

Wir bieten und liefern die Komponenten für unterschiedlichste Einsatzfälle. Diese werden von den Maschinenbauern je nach Anforderung ausgewählt. Neben der Hygiene geht es dabei auch um die Frage, wieviel Platz zur Verfügung steht, und um äußere Faktoren wie Temperaturen oder Luftfeuchtigkeit. Wichtig ist, bei einer Applikation immer alle Aspekte insgesamt zu betrachten, um dann die richtige Lösung dafür zu finden. Ein gutes Beispiel für den erfolgreichen Einsatz unseres Hygiene- Portfolios ist die aseptische Joghurt-Abfüllmaschine Kontfill Glassline von der VMS Maschinenbau GmbH. Diese wird mehrmals wöchentlich mit starken chemischen Reinigungsmitteln und Hochdruckreinigern gesäubert. Am Auslaufband werden die Gläser kontrolliert und falls nötig vom Band geschoben. Diese Aufgabe übernimmt unser Edelstahlservomotor der Baureihe CM2H. Früher wäre hier eine Vorrichtung mit Schutzumhausung geplant worden. Doch mit der Möglichkeit des Edelstahl-Servomotors lässt sich eine hygienische Lösung nutzen. Dadurch wurde die Konstruktion wesentlich offener gestaltet, sodass sich mögliche Schmutznester nicht mehr hinter Abdeckungen bilden können und die Wärmeabfuhr der Motoren ebenfalls vereinfacht wurde. Der Motor ist robust und langlebig im Einsatz. Interessante Praxisanwendungen sind auch Getriebemotoren an Förderbändern in der Fleischverarbeitung und Antriebe in der Käseproduktion.

SEW ist Mitglied der EHEDG. Welche Vorteile ziehen Sie aus diesem Expertennetzwerk?

Wir freuen uns immer auf die Netzwerktreffen auf nationaler und internationaler Ebene. Sie sind eine wertvolle Informationsquelle und bieten die Gelegenheit des Austauschs mit Branchenexperten. So kommen wir in direkten Kontakt mit Unternehmen der Lebensmittelbranche und können beispielsweise direkt von Produktionsleitern erfahren, welche Herausforderungen hinsichtlich der Hygiene und Antriebstechnik zu überwinden sind oder welche Auswirkungen neue Food-Trends auf die Lebensmittelherstellung haben. Wir können gleichzeitig unser Fachwissen und unsere langjährige Erfahrung in diesem Bereich einbringen und Diskussionen damit bereichern. Auch der Zugriff auf die EHEDG-Guidelines und Informationen über neue Richtlinien und Vorschriften ist wichtig für unsere Produktentwicklung.

Am 3. Mai beginnt in Frankfurt die IFFA und SEW ist als Aussteller dabei. Welche Erwartungen haben Sie an die Messe?

Mit Spannung erwarten wir den direkten Austausch mit Maschinenbauern und Anlagenbetreibern zu den aktuellen Themen der Produktion und Verpackung. Vor allem ist für uns interessant, welche technologischen Auswirkungen die zunehmende Herstellung von Fleischalternativen hat. Auf was ist dabei im Detail zu achten? Werden Maschinen für diesen Anwendungsbereich komplexer oder simpler? Und welche Anforderungen gehen daraus für uns als Antriebsund Automatisierungshersteller hervor? Das sind Fragen, für die wir Antworten suchen.

In der Fleischverarbeitungsbranche spielt Hygiene eine gehobene Rolle. Werden Sie insbesondere dafür Konzepte an Ihrem Stand vorstellen?

Auf der Messe werden wir unser komplettes Hygienic Design-Produktportfolio und Automatisierungslösungen zeigen. Im Mittelpunkt stehen dabei unsere Motoren und Getriebe aus Edelstahl sowie eine Robotikkonfiguration zum Filetieren von Fleisch. Ein beeindruckendes Bewegungsmodell, welches vollständig mit Automatisierungstechnik aus unserem Hause betrieben wird. Des Weiteren stellen wir eine Software vor, die Verschmutzungen in der Lebensmittelproduktion bereits vor deren Entstehung verhindern kann.

Inwieweit wird die hygienegerechte Konstruktion Ihrer Antriebstechnik auch in Zukunft einen festen Platz im SEW-Produktportfolio haben?

Die Auslegung von Antriebstechnik nach Hygienekriterien ist für uns ein bestens bekanntes Thema. In den letzten Jahren hat deren Bedeutung stetig zugenommen und wir sind überzeugt, dass dies weiterhin der Fall sein wird. Hygienic Design ist ein wichtiges Thema, welches wir bei der Entwicklung des skalierbaren Produktportfolios berücksichtigen.


Diesen Artikel finden Sie in LT 4/2025 auf den Seiten 48 bis 50.

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