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Die am DIL entwickelte Vakuumtechnik ist eine "Allzwecklösung" für das Lebensmittelhandling.
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Im Rahmen eines geförderten Forschungsprojektes wurde in Kooperation mit der Kronen GmbH eine Anlage entwickelt, welche Avocados mit unterschiedlicher Größe aufnehmen kann.

GREIFLÖSUNG FÜR SCHWIERIGE PRODUKTE

Das Greifen von Lebensmitteln stellt die Automatisierungstechnik seit langem vor technische Probleme, da die Handhabung von Lebensmitteln, und besonders von Naturprodukten, unterschiedlichste Herausforderungen mit sich bringt. Das DIL Deutsches Institut für Lebensmitteltechnik e.V. aus Quakenbrück hat aus diesem Grund die HDHF-Vakuumgreiftechnik entwickelt, die ideal auf die Gegebenheiten der Lebensmittelindustrie angepasst ist.

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Lebensmittel können bereits in definierten Produktklassen sehr unterschiedliche Formen und Strukturen aufweisen, die jedoch mit gleichbleibenden Werkzeugen verarbeitet werden sollen. Bei wechselnden Abmessungen sowie rauen oder feuchten Oberflächen stoßen konventionelle Vakuumtechniken an ihre Grenzen. Sobald der Abschluss zwischen Produkt und Saugglocke nicht perfekt ist, kann kein Vakuum und somit auch keine Haltekraft aufgebaut werden. Diese hohe Varianz muss vom verwendeten Greifsystem überwunden werden, um einen sicheren Prozess gewährleisten zu können. Weiterhin spielt die Hygiene im Lebensmittelbereich eine essenzielle Rolle, so dass Schlauchleitungen und das Greifsystem insgesamt keine Kontaminationsquelle darstellen dürfen. Grundsätzlich sind aber auch viele Produkte zu empfindlich, um mit mechanischen Greifern gehoben zu werden, da diese Systeme schnell Druckstellen und Verletzungen der Produktoberflächen hervorrufen.

Vakuumgreiftechnik als Problemlöser

Die HDHF-Vakuumgreiftechnik ermöglicht die Überwindung dieser Hindernisse und die Erfüllung der Anforderungen. Die Gestaltung des Systems im Hygienic Design verhindert die Kontamination von Schlauchleitungen und stellt die einfache Reinigbarkeit sicher. Ferner erzeugt die Konstruktion der Coandă-Vakuumdüse im Betrieb eine hohe Luftverstärkung, so dass sich eine hohe Leckagetoleranz einstellt. Diese macht die Handhabung von rauen Oberflächen und luftdurchlässigen Produkten möglich. Weiterhin bietet das System die stufenlose Einstellung des Vakuums bis 30 Prozent, damit eine ideale Anpassung an das jeweilige Produkt möglich wird und Beschädigungen oder Abdrücke auf der Produktoberfläche verhindert beziehungsweise minimiert werden können.

Die Greiftechnik kann herstellerunabhängig an alle gängigen Robotersysteme (Sechsachs-Roboter, Scara-Roboter, Picker) adaptiert werden und ist flexibel auf die Anforderungen der Greifsituation anpassbar. Hierbei ist die individuelle Auslegung von Saugglocken an den jeweiligen Anwendungsfall entscheidend. Im Folgenden verdeutlichen einige Anwendungsbeispiele, wie flexibel einsetzbar die HDHF-Greiftechnik durch individuell entwickelte Saugglocken ist.

Aufnehmen, Halbieren, Entsteinen und Schälen von Avocados: Im Rahmen eines durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz geförderten ZIM-Forschungsprojektes wurde in Kooperation mit der Kronen GmbH, einem Hersteller von Einzel- und Sondermaschinen sowie Prozessanlagen für die Lebensmittelverarbeitung, eine Lösung entwickelt, welche Avocados mit unterschiedlicher Größe aufnehmen und durch verschiedene robotergeführte Verarbeitungsschritte an einer Saugglocke das Fruchtfleisch gewinnen kann. Die Saugglocke musste sich dabei sowohl an die stark variable Form der Avocado anpassen können als auch die Kräfte im Verarbeitungsprozess abfangen. Zur Realisierung wurde in mehreren Iterationen eine Saugglocke aus flexiblem, lebensmittelgeeignetem Silikon entwickelt. Diese kann sich durch eine dünne Lippe den Varianzen der Früchte sehr gut anpassen. Weiterhin wurde im äußeren Bereich dieser Silikonkomponente eine Kappe aus Kunststoff vorgesehen, die zum einen hohe Beschleunigungskräfte im Zuge einer schnellen Roboterbewegung und zum anderen hohe Scherkräfte im Entstein- und Schälprozess überwinden kann.

Der Prozess selbst wurde mit einem Sechsachs-Roboter durchgeführt. Dieser entnimmt die Früchte aus einer Aufnahmeposition, führt diese in eine durch Kronen entwickelte Halbier- und Entsteinvorrichtung und nimmt abschließend die Schälung mittels eines Schäldrahtes vor. Die industrielle Anwendung soll nun mit zwei beziehungsweise drei Sechsachs-Robotern umgesetzt werden, so dass 800 (zwei Roboter) beziehungsweise 1.000 (drei Roboter) Avocados pro Stunde automatisiert verarbeitet werden können. Hierbei führen zwei Roboter simultan die gleichen Bewegungen aus. Beim Einsatz von drei Robotern, übernimmt ein Roboter die Zuführung der Avocados und die anderen Roboter übernehmen den Verarbeitungsprozess.

Verpacken von Lebensmitteln: Neben dem Einsatz in der Produktion von Lebensmitteln kann der HDHF auch ideal im Verpackungsprozess von Lebensmitteln eingesetzt werden. Ein Großteil der im Einzelhandel erhältlichen Lebensmittel wird am Ende des Produktionsprozesses in seine endgültige Verpackung eingelegt. Dies geschieht derzeit häufig noch händisch oder durch Mechaniken, die ein Fallen in die Verpackung erzeugen. Das Fallenlassen der Produkte in die Verpackungen kann hierbei jedoch zu falsch eingelegten Produkten oder der Kontamination von Randbereichen der Verpackung führen. Der HDHF bietet aufgrund seiner schlanken Bauform nun die Möglichkeit, das Lebensmittel von oben zu greifen und punktgenau bis tief in die Verpackung einzulegen, so dass eine perfekte und beschädigungsfreie Verpackung der Produkte realisiert werden kann. Hierbei stellen auch Verpackungen, die lediglich wenig Platz für die Produkte bieten, kein Problem dar.

Durch den flexiblen Aufbau des HDHF lässt sich das System im gesamten Bereich der Lebensmittelindustrie einsetzen. Beispiel hierfür können Kekse oder auch Pilze sein, die zum einen schonend verarbeitet werden müssen und zum anderen in einer definierten Orientierung sowie Anordnung in die Schalen oder Trays eingebracht werden müssen. In gleicher Weise trifft dies auch auf die Obst-, Gemüse- oder Fleischindustrie zu. Fleischwaren, wie Wurstwaren, Steaks, Koteletts, aber auch größere Teilstücke, wie Filets oder Schinken, fallen im Verarbeitungsprozess in großen Mengen an und müssen ebenso verpackt werden. Hier stellen auch schwierige Prozessparameter, wie variable Abmessungen, verletzliche oder feuchte Oberflächen und raue Strukturen durch Panade, keine unüberwindbaren Hindernisse dar. So können marinierte Steaks in die Endverpackung eingelegt werden, ohne eine Verunreinigung der Verarbeitungsanlage zu erzeugen. Des Weiteren sind auch definierte Ablagemuster, wie die geschindelte Ablage, ohne Probleme möglich.

Hygienisches Handling von Lebensmitteln

Die patentierte HDHF-Vakuumgreiftechnik wurde entwickelt, um das Themenfeld Lebensmittelhandling zu erschließen. Die konzipierte Vakuumdüse kann Undichtigkeiten zwischen Produkt und Saugglocke durch eine hohe Leckagetoleranz überwinden und lässt eine stufenlose Einstellung des Vakuums zu. In Kombination mit einer ideal angepassten Saugglocke ergibt sich somit ein hoch flexibles Greifsystem, welches mit Lebensmitteln hygienisch, sicher, sachgerecht und beschädigungsfrei umgehen kann und in vielen Fällen erst eine Automatisierung möglich macht.

Durch die Forschungsarbeit der vergangenen Jahre sind viele Greiflösungen für unterschiedlichste Lebensmittel entwickelt worden. Neben den dargestellten Beispielen sind so Lösungen für die Süß- und Backwarenindustrie, die Fleisch- und Fischindustrie oder auch die Obst- und Gemüseindustrie entstanden. Durch die Kombination mit einem Robotersystem können so effektive Systeme geschaffen werden, die durch den Einsatz von Kameratechnik, Sensorik und künstlicher Intelligenz zusätzlich noch effizienter gestaltet werden können.

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