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Durch die kontrollierte Verbrennung entsteht Prozesswärme als Dampf, der über ein spezielles Leitungssystem zu den verschiedenen Prozessstationen auf dem Brauereigelände geführt wird.
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„Die einfachere und deutlich bequemere Methode wäre die technisch weniger aufwändige Umstellung auf Gas gewesen“, erklärt Braumeister Josef Lechner in Bezug auf die Suche nach einer neuen Energieversorgung. „Doch auch damit hätten wir uns wieder stärker abhängig gemacht.“

ENERGIEVERSORGUNG IN DER KRISE

Während die meisten Brauereien aktuell nach Alternativen und kurzfristigen Lösungen für Erdgas suchen, hat die Weißbierbrauerei G. Schneider & Sohn bereits vor 15 Jahren einen anderen Weg eingeschlagen: Zur zukunftssicheren Versorgung leistete sich der Bierhersteller eine neue Energiezentrale mit einem Biomasse-Heizwerk. Als Energieträger dienen naturbelassene Wald-Hackschnitzel aus der Region. Das nachhaltige Energiekonzept wurde von Gammel Engineering aus Abensberg umgesetzt.

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Viele Brauereien sind auf Gas angewiesen, um ihre Produktionsprozesse mit Wärme zu versorgen. Eine staatliche Rationierung, anhaltende Reduktion oder gar ein Stopp der Gaslieferungen hätte daher dramatische Folgen. Zum einen wird das Bierbrauen bei stagnierend hohen Energiepreisen unrentabel und zum anderen könnten die avisierten Braumengen nicht sichergestellt werden.

Anders die Situation bei der G. Schneider & Sohn GmbH. Der bayerische Bierbrauer und -vertreiber mit Sitz in München und einer Brauerei in Kelheim hat sich auf die Produktion von Weißbier spezialisiert, welches unter der Marke Schneider Weisse vertrieben wird. Das 1872 gegründete Unternehmen ist noch immer in Familienhand. Heute beschäftigt die Brauerei rund 100 Mitarbeiter und vertreibt ihre Produkte in Deutschland und 27 weiteren Ländern. Der Jahresausstoß beträgt etwa 250.000 Hektoliter und geht zu rund 25 Prozent ins Ausland.

Noch bis 2007 hatte die Weißbierbrauerei ihre benötigte Wärme aus Öl gewonnen – einer endlichen und preisvariablen Ressource. Um sich von dieser unsicheren Versorgung zu lösen, suchte die Gesch.ftsführung nach einer Alternative. „Die einfachere und deutlich bequemere Methode wäre die technisch weniger aufwändige Umstellung auf Gas gewesen“, erklärt Braumeister Josef Lechner in Bezug auf die Suche nach einer neuen Energieversorgung. „Doch auch damit hätten wir uns wieder stärker abhängig gemacht.“ Mit dem Umstieg auf eine nachhaltige Ressource, wie Hackschnitzel, war Schneider Weisse der Vorreiter in der Branche. Ein vergleichbares Vorgehen war dort bisher nicht üblich.

Schritt für Schritt zur Klimaneutralität

Obwohl der Gaspreis zur damaligen Zeit sehr niedrig war, was zu einer schnellen, günstigen Standardlösung geführt hätte, stand für Georg Schneider und sein Team nicht nur der Energiepreis im Vordergrund: „Wir haben uns bewusst  für die Nachhaltigkeit entschieden und die langfristigen Vorteile, die sie mit sich bringt – und sind überzeugt von der Philosophie“, sagt der Brauereichef heute. Langfristig sollte der Schritt die Brauerei auf einen klimaneutralen Weg bringen.

Im Gegensatz zu Gas, Öl und Kohle, die neben der schlechten Klimabilanz erst noch aufwändig ans Ziel transportiert werden müssen, stammt der nun von der Brauerei genutzte nachwachsende Energieträger aus der unmittelbaren Nachbarschaft: Die Hackschnitzel werden von Waldbauern in der Nähe von Kelheim produziert. „Wir lassen also die Wertschöpfung in der Region. Der soziale Aspekt ist uns sehr wichtig“, hebt Lechner hervor.

Die Abensberger Ingenieure, die ein umfassendes Knowhow im Bereich nachhaltiger Energiekonzepte vorweisen können, berieten die Brauerei während der gesamten Planungsund Umsetzungsphase. 

Herzstück des neuen Konzepts bildet eine moderne Energiezentrale sowie ein Biomasse- Heizwerk zur Verarbeitung der Hackschnitzel. Durch die kontrollierte Verbrennung entsteht Prozesswärme als Heißwasser mit 160 Grad Celsius, das über ein spezielles Leitungssystem zu den verschiedenen Prozessstationen auf dem Brauereigelände geführt wird. „Durch unser Holzheizsystem konnten wir rund 720.000 Liter Heizöl pro Jahr ersetzen, was einer Einsparung von 2.000 Tonnen CO2 jährlich entspricht. Stattdessen werden im selben Zeitraum etwa 2.600 Tonnen Hackschnitzel aus der Region verwertet“, so Dieter Lichtenberger, Prokurist bei Gammel Engineering.

Das Unternehmen ist mit der Betreuung und Umsetzung von Projekten dieser Größenordnung bestens vertraut. So gehörten neben der Auslegung und Installation des Kraftwerks auch der Anschluss der Kälteerzeugung und CIP-Anlagen an die Energiezentrale zu den Aufgaben der Ingenieure. Dabei legte das Team großen Wert auf die Verwendung modernster Werkstoffe und Technik sowie auf eine wartungsfreundliche Umsetzung. Seither kann die Brauerei ihre gesamten Betriebsprozesse – einschließlich Abfüllung, Sudhaus sowie Gebäude- und Gaststättenheizung – zu fast 95 Prozent mit Wärme aus dem nachwachsenden Rohstoff Waldholz versorgen.

Vorlage für andere Getränkehersteller

Von Mai 2007 bis März 2008 dauerte die Umsetzung des Projekts, das ein Technik-Investitionsvolumen von etwa 1,3 Millionen Euro umfasste. Dabei konnte sich die Anlage durch die anschließend energieeffiziente Versorgung und Einsparung preisinstabiler Ressourcen schnell amortisieren. Zudem hat die Brauerei Schneider durch die strategische Entscheidung vor 15 Jahren heute einige Vorteile gewinnen können: „Wir sind dem globalen Energiemarkt so gut wie nicht mehr unterworfen. Und zwar nicht nur, wenn man an die aktuellen Gas- und Ölpreise denkt. Sondern vor allem, weil wir nicht von Gaslieferungen abhängig sind“, argumentiert der Brauereichef Georg Schneider.

Der Geschäftsführer denkt hier auch ganz konkret an einen möglichen Gas-Engpass. Vielen seiner meist mittelständisch aufgestellten Mitbewerber drohe ohne Gas der Produktionsausfall. Ein Energiekonzept, wie es Gammel Engineering in Kelheim umgesetzt hat, könnte daher anderen Brauereien und Getränkeherstellern ein Vorbild sein. Denn eine unabhängige Energieversorgung auf Basis regenerativer Energien sorgt dafür, dass die Wertschöpfung in der Region bleibt. Wir würden diese Umstellung auf Hackschnitzelheizung auch heute wieder machen. Jetzt zeigt sich, dass die Entscheidung richtig war“, so Schneider.

Daher empfiehlt Michael Gammel, Gesch.ftsführer des gleichnamigen Energie-Ingenieurunternehmens, auch anderen Brauereien, die noch Erdgas verheizen: „Warten Sie nicht mehr, sondern folgen Sie Ihrem Brauer-Präsidenten auf dem Weg in die nachhaltige Bierherstellung, um unabhängig von globalen Energiepreisspiralen zu werden.“ So gab es im vergangenen Jahr für Schneider Weisse gleich doppelten Grund zu feiern: 150 Jahre Tradition des Brauens und eine erfolgreiche und nachhaltige Energieversorgung.


Diesen Artikel finden Sie in LT 1-2/2023 auf den Seiten 12 und 13.

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