© Neuhaus Neotec
Durch Wirbelschichtprozesse lassen sich gezielt Pulver oder Granulate verändern.

MEHR ALS NUR HEISSE LUFT

Die Auswahl des richtigen Wirbelschichtverfahrens ist von einer Vielzahl unterschiedlicher Parameter abhängig. Je nach Produktionsbedingungen und Eigenschaften des Ausgangsstoffes sowie des gewünschten Endproduktes lässt sich das Verfahren auf vielfältige Weise beeinflussen. Henning Falck, Leiter Geschäftsbereich Trocknungs- und Partikeltechnologien bei Neuhaus Neotec in Ganderkesee, erläutert die Technik, die dahintersteht.

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Vor allem die Funktionalität von pulverförmigen Lebensmitteln gewinnt immer mehr an Bedeutung. Der Verbraucher möchte Convenience-Produkte nutzen, gleichzeitig sollen die Nahrungsmittel aber möglichst unbearbeitet und frei von Zusatzstoffen sein. Das Motto lautet "Weniger ist mehr", denn: „Bei einer rein veganen Ernährung beispielsweise muss sichergestellt werden, dass die Bioverfügbarkeit von Vitaminen und Nährstoffen gewährleistet ist“, meint Henning Falck, Leiter Geschäftsbereich Trocknungs- und Partikeltechnologien bei Neuhaus Neotec in Ganderkesee. Aber nicht erst seit dem wachsenden Trend zum Clean Eating werde immer stärker sowohl auf den Herstellungsprozess als auch auf die deklarierten Inhaltsstoffe geachtet. 

Wie ist das mit immer komplexeren Märkten und wachsendem Kostendruck zu vereinbaren? „Die Wirbelschicht kann hierzu Verfahren bieten, die Produkte rein physikalisch oder mechanisch-thermisch verändern, so dass die Produkteigenschaften für den Verarbeitungsprozess und für den Konsumenten spürbar verbessert werden“, so Falck im Gespräch mit LEBENSMITTELTECHNIK. Pulverförmige Rohstoffe lassen sich so stabilisieren, die Löslichkeit von Instantgetränken optimieren, der Staubanteil reduzieren oder das Fließverhalten anpassen. Darüber hinaus können die Produkte mit zusätzlichen Eigenschaften wie der zeitversetzten Freisetzung von Aroma- oder Wirkstoffen, einer Geruchs- und/oder Geschmacksoptimierung oder mit ansprechenden Farbüberzügen versehen werden. 

Granulierung von Mehlmischungen

Und es lassen sich „sogar Rezepturen für nicht-deklarationspflichtige Produktzusätze entwickeln“, wie Falck betont – beispielsweise durch Mehlgranulation. Ziel ist eine höhere Wasseraufnahme bei Brotteigen, denn sie steigert die Effizienz für den Bäckereibetrieb und verlängert die Frischhaltung beim Verbraucher. Falck: „Mehlzusätze wie modifizierte Stärke stehen dabei – ob zu Recht oder nicht – immer wieder in der Kritik des Verbrauchers. Ein Verfahren, das nicht deklarierungspflichtig ist und bei dem auch keine E-Nummern angegeben werden müssen, ist die Granulierung der stark proteinhaltigen Fraktion des Mehls.“ 

Diese durch Windsichtung ausgesiebten Mehlanteile werden in der Wirbelschicht zu einem gut rieselfähigen Granulat aufgebaut. Als Bindemittel dient Wasser. Der Binderflüssigkeit lassen sich weitere funktionale Zusätze wie Enzyme oder Vitamine beisetzen. Das Proteingranulat wird dem Mehl in der Backmischung wieder zugefügt und bewirkt, dass die Wasseraufnahme erhöht wird. Das Brot ist nicht nur länger haltbar, auch die rheologischen Eigenschaften sind verbessert. Der Kleber wird gestärkt, das Gashaltevermögen erhöht und die Teige sind trockener und maschinengängiger. 

Was aber genau passiert in der Wirbelschicht? Eine Wirbelschicht bildet sich immer dann aus, wenn Pulver oder Granulate von einem Luftstrom mit einer bestimmten Luftgeschwindigkeit durchströmt werden. Die Produktschicht gerät dabei in intensive Bewegung und verhält sich wie eine Flüssigkeit. Die gesamte Partikeloberfläche ist rundum zugänglich, für Trocknungsluft ebenso wie für aufgesprühte Flüssigkeiten, Emulsionen oder Suspensionen. Dadurch bietet die Wirbelschicht ideale Bedingungen für außerordentlich effektive Trocknungsprozesse sowie fortschrittliche Verfahren, bei denen die Partikel gleichzeitig zu Granulaten oder Agglomeraten geformt werden sollen. 

Prozesse in der Wirbelschicht

In der Wirbelschicht werden die Partikel mit Wasser oder einer Binderflüssigkeit besprüht und zu gleichmäßigen Feststoffpartikeln mit bestimmter Größe und gewünschten Eigenschaften wie guter Löslichkeit, Tablettierfähigkeit, Dosierbarkeit oder Staubarmut aufgebaut. Anwendung findet die Wirbelschicht-Agglomeration häufig bei der Instantisierung von pulverförmigen Nahrungsmitteln und Getränkezubereitungen. In der Wirbelschicht wird aus den Rezepturkomponenten ein homogenes Compound-Partikel aufgebaut, das aufgrund seiner Struktur mit hoher Porosität ein gutes Untersinken, Eindringen von Flüssigkeit und wieder Zerspringen in die Primärpartikel ermöglicht. Henning Falck gibt ein weiteres Beispiel: „Ein trendiges Kakaogetränk lässt sich durch Agglomeration in ein sehr gut dosierfähiges und lösliches Instantprodukt überführen. Bei einer nicht agglomerierten Kakaopulvermischung sinkt dem gegenüber die Mischung schlecht unter und lässt sich auch durch intensives Rühren kaum dispergieren.“ 

Gerade für Mehrkomponentensysteme sieht der Experte Vorteile, da die Rohstoffe definiert miteinander verbunden werden. „Bei einer Kakaogetränkemischung werden die einzelnen Rohstoffe aus Kakao, Zucker, Vitaminen und Mineralstoffen in der Wirbelschicht des Agglomerators mit Wasser besprüht. Dabei wird der Zucker angelöst und verklebt die verschiedenen Rohstoffteilchen miteinander. Das entstehende Instantprodukt ist frei fließend, homogen und sehr gut löslich“, so Falck. Bei schwer löslichen Instantprodukten wie Molkenprotein oder verschiedenen Sportlergetränken auf Molkenbasis lässt sich gleichzeitig ein geringer Anteil Lecithin als Emulgator aufbringen, der die Benetzbarkeit des fertigen Instantgetränkes erhöht. Dieses Verfahren kann für eine Vielzahl von Instantprodukten angewendet werden. Es eignet sich beispielsweise auch zur Anreicherung von den immer beliebter werdenden Spezialprodukten in der Sportler-, Kinder- und Krankenernährung, für hippe Bio-Formulierungen und Getränkegrundstoffe. 

Bedarfsgerechte Anlagenkonfiguration 

Wirbelschichtverfahren können als kontinuierlicher oder als batchweiser Prozess ablaufen. Beide Betriebsarten haben individuelle Vorteile, abhängig von Produktionsvolumen, Platzverhältnissen, Installationsmöglichkeiten, von Zielvorgaben wie Produktionszeit oder -kosten und den erforderlichen Prozessschritten. Falck: „Kontinuierliche Systeme bestehen aus einer Anlage mit mehreren einzelnen Zu- und Abluftkammern, sodass sich die Prozessparameter individuell für jede Zone einstellen lassen.“ Alle Verfahrensschritte laufen vollautomatisch und ohne manuelles Eingreifen ab, die Produktmenge ist unbegrenzt. „Das kontinuierliche Verfahren eignet sich daher insbesondere für die im Lebensmittelbereich übliche Mengenproduktion“, so Falck. Batch-Systeme würden dagegen häufig zur Verarbeitung begrenzter Produktionschargen mit einer Vielzahl verschiedener Rezepturen eingesetzt werden: „Alle Prozessschritte laufen nacheinander in einem Behälter mit vorgegebenem Volumen ab. Mit Batch-Anlagen lassen sich auch kleine Mengen für Nischenprodukte oder Produkt- und Rezepturtests effektiv herstellen.“ 

Der Maschinen- und Anlagenbauer Neuhaus Neotec ist auf Partikeltechnologie mittels Wirbelschichtverfahren spezialisiert. „Wir können alle Optionen der Wirbelschichttechnologie, sowohl als kontinuierlicher wie auch als chargenweiser Prozess, durchführen und auf Produktionsniveau skalieren, beispielsweise zur Entwicklung neuer Produkte und Testung veränderter Rezepturen“, erläutert Falck die Möglichkeiten des modern ausgestatteten Technikums am Standort in Ganderkesee. Als Mitglied der Kahl-Gruppe hat Neuhaus Neotec darüber hinaus Zugang zum über Jahrzehnte erworbenen Know-how der gesamten Firmengruppe in der Lebensmittelindustrie. 

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