© Grow Up Salicornia
Aus Salicornia lässt sich ein feines grünliches Salz herstellen.
© Grow Up Salicornia
Die Salzpflanzen werden und Frankreich und Deutschland von Februar bis November angebaut.
© Grow Up Salicornia
In Gewächshäusern kommen für die Ernte spezielle Mähgeräte mit Auffangbehälter zum Einsatz.

SALZGEWINNUNG AUS PFLANZEN

Salicornia ist eine Pflanze, die natürlicherweise an der europäischen Atlantikküste vorkommt und auch in Deutschland im Wattenmeer zu finden ist. Sie hat einen salzigen, zart zitronigen Geschmack und ist knackig im Biss. Ihre Fähigkeit, hohe Salzkonzentrationen zu tolerieren und dem Boden sogar aktiv zu entziehen, macht sie zunehmend interessant für die Forschung und die Weiterverarbeitung zur funktionellen Lebensmittelzutat.

Seite 1/1 3 Minuten

Seite 1/1 3 Minuten

Bislang wird Salicornia hauptsächlich kulinarisch in der gehobenen Gastronomie geschätzt. Der Anbau der Pflanze geschieht auf versalzener Erde, in Gegenden mit salzigem Grundwasser oder in der Kombination mit Meerwasser auf Wüstenboden. Die Erzeugerländer sind Frankreich, Israel, Mexiko und neuerdings auch Deutschland. Das Innovationsprojekt "Salzpflanzen aus Sachsen-Anhalt", gefördert durch das EIP Agri Programm aus EU- und Landesmitteln, erforscht den Anbau und entwickelt Weiterverarbeitungs- und Sekundärnutzungswege für Salicornia. Dabei kooperieren die Wissenschaftler der operationellen Gruppe "Grow Up Salicornia" unter anderem mit dem Fraunhofer IVV in Freising, um Möglichkeiten bezüglich des industriellen Einsatzes von getrocknetem Salicornia in Lebensmitteln zu untersuchen.

Die Pflanze wird in salziger Erde mit einem Prozent Salzgehalt und Süßwasser angebaut. Auch die Nutzung von reinem Salzwasser ist möglich. Salicornia ist ein saisonales Produkt und wird in Gewächshäusern in Frankreich und Deutschland von Februar bis November angebaut, während in Mexiko und Israel ein ganzjähriger Außenanbau erfolgt. Die Pflanze wird hier teils in die Fruchtfolge eingegliedert, um Anbauflächen, die in heißen Klimazonen intensiv bewässert wurden, aktiv zu entsalzen.

Verarbeitung in drei Schritten

Innerhalb des Projekts wurde ein technisches Verfahren entwickelt, den Salicornia zu einem "Pflanzensalz" zu verarbeiten. Als Erstes wird die Zusammensetzung des frischen Salicornia untersucht, um den Mineralstoffgehalt zu überprüfen. Gerade in der freien Natur und im Außenanbau können Salzgehalte empfindlich schwanken. Nach der Trocknung wird die Pflanze zuerst geschreddert und dann vermahlen, um die Mineralstoffe aufzubrechen und leichter verfügbar zu machen. Man erhält ein feines grünes Pulver, welches stark salzig schmeckt und einen leichten fischig/heuigen Geruch aufweist.

Salicornia hat funktionelle Eigenschaften, die ernährungsphysiologische Vorteile gegenüber Kochsalz bieten. Die Pflanze enthält bis zu 60 Prozent Mineralstoffe wie Natrium, Kalium, Magnesium und Calcium. Außerdem ist sie reich an Vitamin A, C und E sowie Antioxidantien. Laborversuche konnten zeigen, dass Salicornia über entzündungshemmende Eigenschaften verfügt, bei Arthritis hilft, den Blutdruck senken kann und das Herz-Kreislauf-System schützt – trotz des hohen Mineralstoffgehalts. Tierversuche konnten bestätigen, dass der Verzehr des Gewürzes im Gegensatz zur Äquivalenzmenge an Natriumchlorid mit einer blutdrucksenkenden Wirkung einhergeht.

Salzigkeit abhängig vom Mahlgrad

In einer Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer IVV wurden die Salzigkeiten verschiedener getrockneter und vermahlener Salicornia-Arten untersucht sowie Lösungen zur Verbesserung der Rieselfähigkeit und der Hygroskopizität erforscht. Der aus dem Außenanbau stammende Salicornia Bigelovii stellte sich als salziger heraus als sein europäisches Pendant. Eine weitere Erkenntnis war, dass die Salzigkeit des Pulvers mit feinerem Mahlgrad verstärkt wurde, also je feiner das Pulver, desto salziger der Geschmack. Durch einen dreiprozentigen Zusatz des Trennmittels CaCO3 konnte eine Verbesserung auf Klebrigkeit und Rieselfähigkeit erreicht werden. Die Hygroskopizität des Pulvers wurde durch das Trennmittel ebenfalls verbessert, ohne Einfluss auf Geschmack oder Aroma zu nehmen.

Vermahlener Salicornia kann als Ersatz für Kochsalz in Lebensmitteln wie Brot, Käse, deftigen Milchprodukten wie Kräuterquarkzubereitungen und salzigen Snacks wie Chips genutzt werden. Für die Anwendung in Wurstwaren stellt die grüne Färbung des Produkts bisher noch eine Hürde dar, jedoch gibt ein Projekt der Bayrischen Forschungsstiftung Hoffnung. Dabei wurde Salz in Wurstwaren durch Salicornia-Pulver ersetzt. Es konnten keine Unterschiede bezüglich sensorischer oder chemisch/physikalischer Eigenschaften zwischen der Salicornia-Wurst und der mit NaCl gewürzten Referenzwurst festgestellt werden.

Innerhalb des Innovationsprojekts "Salzpflanzen aus Sachsen-Anhalt" wurden in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Wolfram Schnäckel von der Hochschule Anhalt versuchsweise Fleischwürste mit unterschiedlichen Salicornia-Konzentrationen hergestellt. In der Zusammensetzung wurde eine Fleischwurst mit 1,8 Prozent Nitritpökelsalz durch 2,9 Prozent getrockneten Salicornia ersetzt. Geschmacklich einwandfrei nahm jedoch die Wurst eine dunkelgrüne Färbung an und eignete sich somit nicht für den Verkauf.

Schwankende Mineralstoffmengen

Der Einsatz von Salicornia in Lebensmitteln wird bisher hauptsächlich durch die geringe Verfügbarkeit eingeschränkt. Die grüne Farbe engt den Einsatzbereich weiter ein. Die Entfärbung des Pulvers könnte hier die Anwendungsbreite des Produkts deutlich erhöhen. Weitere Beschränkungen liegen in den schwankenden Anbaubedingungen, besonders bei Sorten, die auf freiem Feld wachsen. Durch Unterschiede in Sonnenstrahlung, Hitze, Bodeneigenschaften, Wasserangebot und Wasserzusammensetzung ergeben sich mitunter schwankende Mineralstoffmengen. Eine umfassende Analyse des Salicornia vor Erntebeginn ist deshalb empfehlenswert 

Die geringe Verfügbarkeit bestimmt derzeit noch das Preisniveau, welches mit 12 bis 53 Euro pro Kilogramm deutlich über dem von herkömmlichem Tafelsalz steht. Aufgrund einer Vielzahl an weltweiten Projekten, die gerade in Wüstengebieten eine Primärproduktion von Salicornia etablieren wollen, wird sich die gesteigerte Anbaumenge zukünftig positiv auf den Preis auswirken. Der Anbau mit günstigem Salzwasser in Wüstengebieten bietet hier den entscheidenden Kostenvorteil. Aus Marketingsicht ist der Einsatz von Salicornia in seinen Nachhaltigkeits- und Gesundheitsaspekten hervorzuheben. Die Vergesellschaftung des Salicornia mit dem Meer lässt sich besonders gut in Seafood-Gerichten kommunizieren.


Diesen Artikel finden Sie in LT 6/2023 auf den Seiten 32 und 33.

Ihr Weg zum Abo: Klicken Sie hier!

×